Der alte Marktflecken „Richoldsheim" wird zwar erst im Jahr 1303 erstmals
urkundlich erwähnt, doch ist bekannt, daß das Schloß Reichenberg bereits rund 60 Jahre früher von den Schenken zu Erbach erbaut worden ist, und daß Reichelsheim bereits sehr viel früher Hauptort der gleichnamigen Zent
war. Kurz nach Schloß Reichenberg wurde auch die Burg Rodenstein errichtet. Die Gründung der Siedlung „Richoldsheim" soll spätestens Ende des 9. Jahrhunderts durch den fränkischen Edling Richold erfolgt sein.
Rund um den Marktplatz, auf dem Kirchhügel, erhoben sich die ersten Häuser. Die evangelische Kirche, wie sie heute vor uns steht, wurde 1716 bis 1718 neu errichtet und ersetzte die alte baufällige Kirche, die am
gleichen Platz stand. Lediglich der alte gotische Chor (1493) ist noch vorhanden. Noch heute ist der Marktplatz Mittelpunkt der Gemeinde, dessen Bild von dem 1554 als Zenthaus erbauten Rathaus (heute
Heimatmuseum) beherrscht wird. Es ist das älteste Fachwerkhaus in Deutschland mit der Mannform als Verstrebungsfigur. Die Einwohnerzahl betrug um das Jahr 1450 etwa 50 Personen, während die Nachbardörfer, die heute als
Ortsteile der Gemeinde Reichelsheim angehören, wesentlich mehr Einwohner hatten. Die Einwohnerzahl stieg bis zum Beginn des 30jährigen Krieges auf rund 160 an. Dieser Krieg bedeutete auch für die Reichelsheimer eine
lange Schreckenszeit, und die Bewohner mußten immer wieder auf Schloß Reichenberg Schutz suchen. Damals verbrannten im Rathaus alle Urkunden aus früherer Zeit. Bei einem Brand im 5. Kriegsjahr gingen etwa zwei Drittel
aller Häuser in Schutt und Asche unter. Doch bald nach Kriegsende (1648) war die durch Seuchen, Hunger und Abwanderung dezimierte Bevölkerung wieder auf etwa 120 Personen angewachsen, hauptsächlich durch Einwanderungen
aus der Schweiz. Während der nächsten 50 Jahre, in den Raubkriegen Ludwigs XIV., nahmen weder Einwohnerzahlt noch Wohlstand zu, wohl aber mit Beginn des 18. Jahrhunderts. Im Jahre 1806, als unser Gebiet
mit der Grafschaft Erbach zum Großherzogtum Hessen kam, zählte Reichelsheim 832 Einwohner, die bis auf die hier ansässigen Juden alle evangelisch waren. Obwohl Hungerjahre, drei Kriege, die Revolution von 1848 und
Auswanderungen die Entwicklung hemmten, wuchs die Gemeinde weiter an und hatte im Jahr 1858 bereits 1800 Einwohner, so viel wie sie ungefähr zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zählte. Reichelsheim besaß bereits vor
der Jahrhundertwende eine Reihe von Behörden, wie z.B. ein Postamt, ein Zollamt, ein Veterinäramt, außerdem eine Apotheke, zwei Brauereien, und Reichelsheim war mit der Reichelsheim-Reinheimer Eisenbahn (1887 - 1964)
auch an das Streckennetz der Bahn angeschlossen. Das Geschäftsleben blühte. Die schlimmen Verluste an Menschenleben durch die beiden Weltkriege wurden durch die fast 500 Heimatvertriebenen, die hier eine neue Heimat
fanden, mehr als ausgeglichen. Und die Flüchtlinge halfen mit aufzubauen, was
Reichelsheim heute ist: eine blühende Gemeinde mit einer gesunden Mischung aus Industriebetrieben, mittelständischen Unternehmen, Einzelhandel, Handwerk und Fremdenverkehr, mit nahezu allen
Einrichtungen moderner Infrastruktur.Viele leistungsfähige Mittelstandsbetriebe, Möbelfabrik, Sägewerk, Lederwarenfabrik sowie Hoch- und Tiefbauunternehmen trugen zur Weiterentwicklung unserer Gemeinde bei. Im Zuge der
kommunalen Gebietsreform Anfang der 70er Jahre wurden 13 umliegende Ortschaften in die Gemeinde Reichelsheim eingemeindet. Im November 1986 wurde der Kerngemeinde das Prädikat „Staatlich anerkannter
Luftkurort" verliehen. Viele Landwirte sind Direktvermarkter, die ihre Produkte (Kartoffeln, Obst, Gemüse, Eier, Wurst, Schinken, Honig, Brennholz u.a.) ab Hof verkaufen und sich freuen, wenn
von dem Angebot reger Gebrauch gemacht wird. Sie bieten auch Ferien auf dem Bauernhof. Nahezu 60 Gaststätten, Hotels, Pensionen sowie Privatzimmervermieter bemühen sich um Naherholungs- und Urlaubsgäste und bieten
u.a. Reiten und Kutschfahrten an. Wir haben 240 km markierte Wanderwege,Park- und Rastplatze und weitere Erholungseinrichtungen sowie zwei solarbeheizte Freibäder
(Reichelsheim und Beerfurth), ein Schulhallenbad und mehrere Hotalhallenbäder, ein Saunazentrum, eine private Rehaklinik mit einem sehr guten Ruf und einer hervorragenden
Ausstattung, einem großem Anwendungsbereich und einem Bewegungsbad, drei Alten- und Pflegeheime, eine Sozialstation und zwei Kurzzeitpflegeheime. Unsere Gemeinde verfügt über eine Infrastruktur und rund 80 Vereine. Eine schulformübergreifende Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe und Sonderschulklassen sowie zwei Grundschulen garantieren den Kindern eine schulische Ausbildung bis zum Abitur. Überragt wird Reichelsheim vom Schloß Reichenberg, in dem
eine Tagungsstätte und ein Café eingerichtet sind.
Im Mai 1994 wurde die neu errichtete Reichenberghalle
eingeweiht. Sie ist Mittelpunkt der geselligen Veranstaltungen (kommunales Kulturprogramm mit Theater und Kabarett) sowie ideal für Konzerte und Tagungen. |
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